Im Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes.
Amen.
Gebet am Beginn:
Alle unsere Lebenswege sind geheimnisvoll
verbunden mit dem Weg hinauf nach Golgatha.
Im Glauben suchen wir diese Verbindung zu
erkennen, schmerzlich und tröstlich zugleich.
Herr, du gehst mir voraus und nimmst mich mit.
Du lässt mich tragen und trägst mich.
Ich danke dir für deine Begleitung,
aber lass mich auch dich begleiten auf dem Weg
deines Leidens und schenke mir
die feste Gewissheit:
Im Kreuz ist Heil,
im Kreuz ist Leben,
im Kreuz ist Hoffnung.
Amen.
I – Urteil
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Darauf ließ Pilatus,
um die Menge zufriedenzustellen,
Barabbas frei und gab den Befehl,
Jesus zu geißeln und zu kreuzigen
– Mk 15,15.
Das Urteil ist gesprochen.
Es ist nicht gerecht. Das weiß Pilatus.
Und dennoch weicht er vor der Menge zurück,
knickt ein. Was soll er machen?
Macht soll der Gerechtigkeit dienen,
aber oft ist das Gegenteil der Fall.
Herr, du nimmst das Urteil an.
Kein Klagen, kein Jammern.
Du, der Gerechte, hast dich ausgeliefert
den Ungerechten. Der Stab ist gebrochen.
Wir bitten dich, Herr, für alle,
denen es von Amts wegen aufgetragen ist,
Urteile zu fällen. Wir bitten auch für uns, d
ie wir ständig, bewusst oder unbewusst, urteilen.
Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.
Lied: GL 290
II –Last
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Wenn einer mein Jünger sein will,
nehme er sein Kreuz auf sich
und folge mir nach – Mt 16,24.
Das Kreuz ist nicht irgendein Holzgegenstand,
es ist ein Werkzeug des Todes.
Es anzunehmen heißt, den Schmerz,
das Leid, den Tod anzunehmen.
Herr, du nimmst das Kreuz auf dich,
dass die „Sünde der Welt“
und die Sünde eines jeden Einzelnen
dir auferlegt hat.
Wir bitten dich, Herr, für alle,
die ihr Kreuz annehmen
und den Widrigkeiten des Lebens
nicht ausweichen.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 461
III –Fall
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Ja, Jerusalem ist gestürzt und Juda gefallen;
denn ihre Worte und ihre Taten
richteten sich gegen den Herrn - Jes 3,8.
Fall(en) ist ein sehr vieldeutiges Wort.
Gefallen ist der Sünder, gefallen der Soldat.
Jesus fällt nicht einfach hin.
Unsere Sünden bringen ihn zu Fall.
Herr, du fällst und stehst wieder auf
gegen die Sünde, gegen das Unrecht,
gegen Gier und Gewalt.
Wir bitten dich, Herr, für alle,
die keinen Halt finden im Leben,
die fallen und gefallen sind.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 802
IV – Trost
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Rede ich, so hört doch mein Schmerz nicht auf;
schweige ich, so weicht er nicht vor mir – Ijob 16,6.
Begegnung der Hilflosigkeit.
Nur Blicke. „Angst und Jammer,
Qual und Bangen, alles Leid hielt sie umfangen,
das nur je ein Herz durchdrang.“
Herr, du begegnest deiner Mutter
– Schmerz und Trost zugleich.
Maria, seine und unsere Mutter,
in allem Leid verbunden.
Wir bitten dich, Herr, für alle Mütter,
die hilflos dem Lebensleid ihrer Kinder
ausgeliefert sind.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 295
V – Hilfe
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Einen Mann, der gerade vom Feld kam,
Simon von Kyrene, den Vater des Alexander
und des Rufus, zwangen sie,
sein Kreuz zu tragen – Mk 15,21.
Mit einem Hinrichtungskommando will niemand
etwas zu tun haben. Bloß weg hier,
mag Simon gedacht haben.
Unfreiwillig wird er zum Helfer des Todgeweihten.
Des anderen Last tragen (Gal 6,2)…
ja, aber zu welchem Zweck?
Herr, Simon muss dir helfen.
Er wird zum ersten Jünger,
dem das Wort von der Kreuzesnachfolge
buchstäblich gilt.
Und wir, sind wir freiwillig Kreuzträger?
Wir bitten dich, Herr, für jene,
denen es aufgetragen ist,
in den unterschiedlichen sozialen Bereichen
am Kreuz anderer mitzutragen.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: 440
VI – Liebe
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe,
diese drei; doch am größten unter ihnen
ist die Liebe – 1 Kor 13,13.
Ein Bild in einem Leinentuch.
Vera Ikona (wahres Bild) oder eben Veronika.
Abgedrucktes Leiden.
Eine letzte Liebesgeste auf dem Kreuzweg.
Gesten der Liebe können hilflos wirken,
aber sie kommen von Herzen
und erreichen das Herz…erreichen den Schmerz.
Dein Bild, o Herr, in unserer Welt…der Schmerzensmann.
Dein Bild verrät das Leiden…ohne Worte.
Lässt Liebe erfahren…ohne Worte.
Wir bitten dich, Herr, für alle,
denen das Leid anderer nicht gleichgültig ist,
die helfen und trösten und heilen.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 358
VII – Aufstand
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Dahin sind meine Tage, zunichte meine Pläne,
meine Herzenswünsche.
Sie machen mir die Nacht zum Tag,
das Licht nähert sich dem Dunkel – Ijob 17, 11+12.
Zuerst ein Taumeln, ein Aufstand
gegen die Schmerzen, gegen die Schwäche.
Zweiter Fall.
Triumph der Sünde, „der alten Schlange,
die Teufel oder Satan heißt“ (Offb 12,9).
Aufstand heißt aufstehen gegen die Sünde,
gegen Bosheit und Niedertracht.
Herr, du stehst wieder auf aus dem Staub,
aus dem Abgrund der Sünde.
Der alte Feind soll nicht siegen,
nicht damals in der Wüste,
nicht jetzt auf dem Kreuzweg.
Wir bitten dich, Herr, für alle,
deren Leben ständig am Abgrund wandelt,
die geplagt sind von Zweifeln der Sinnlosigkeit,
von physischer und psychischer Ohnmacht.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 369
VIII – Kummer
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Es folgte ihm eine große Menge des Volkes,
darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten.
Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte:
Töchter Jerusalems, weint nicht über mich;
weint vielmehr über euch und eure Kinder! – Lk 23, 27+28.
Weinen und Wehklagen,
immerfort durchzieht es diese Welt.
Aber dieses Weinen ist anders.
Es gehört gewissermaßen zum „guten Ton“
auf diese Weise, einen Verurteilten
zu begleiten. Jesus nimmt es nicht an.
Doch wenn ihr an euch denkt und an eure Kinder,
dann habt ihr Grund genug, zu weinen und zu klagen.
Herr, in deiner Not, in deinem Schmerz
verweist du angesichts der Frauen
auf das Leid der Welt, das Leid in den Familien
und nicht zuletzt auf das Leid des Unglaubens.
Wir bitten dich, Herr, für alle,
die Kummer haben
wegen der Entfremdung in der Familie
und wegen der Lebenswege der Kinder,
die sie nicht verstehen können.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 456
IX – Absturz
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Meine Seele ist gesättigt mit Leid,
mein Leben berührt die Totenwelt.
Schon zähle ich zu denen, die hinabsteigen
in die Grube, bin wie ein Mensch,
in dem keine Kraft mehr ist. – Ps 88
Fallen. Abstürzen. „Zum Staube zurückkehren“.
Die Kräfte schwinden. Der Tod kündigt sich an.
Und doch wieder aufstehen,
obwohl eigentlich nichts mehr geht.
Doch was heißt schon eigentlich?
Herr, du musst aufstehen, dort
und zwar genau dort, wo wir nicht mehr können,
nicht mehr wollen, wo wir müde geworden sind,
wo uns alles zu viel wird. Steh mit uns und für uns auf!
Wir bitten dich, Herr, für die,
die liegen geblieben sind und für alle,
die sich immer wieder aufraffen
gegen die Sinnlosigkeit,
gegen die Trübseligkeit des Alltags,
im Kampf gegen das Böse.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 439
X – Scham
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Ich kann all meine Knochen zählen;
sie gaffen und starren mich an.
Sie verteilen unter sich meine Kleider
und werfen das Los um mein Gewand – Ps 22, 18+19.
„Ecce homo“. Seht, der Mensch. Elend, nackt und bloß,
aber nicht mehr in einem Krippelein,
wie im Weihnachtslied,
sondern auf dem Hügel von Golgatha.
Scham und Ehre gehören zusammen.
Ein Kleid, ein Gewand verleihen uns Würde und Ansehen.
Doch hier ist nichts mehr.
Der entblößte Gott, preisgegeben einer schamlosen Welt.
Herr, da stehst du, der leidende Gottesknecht.
Von den Menschen verachtet wie einer,
vor dem man sein Gesicht verhüllt,
keine edle und schöne Gestalt (Jes 53).
Schmerzensmann, du Mann auch unserer Schmerzen.
Wir bitten dich, Herr, für die,
denen Scham und Ehre nichts mehr bedeuten,
die gleichgültig geworden sind gegenüber dem Bösen.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 289
XI – Schmerz
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten,
verteilten sie seine Kleider,
indem sie das Los über sie warfen.
Wenn du Gottes Sohn bist,
rette dich selbst
und steig herab vom Kreuz! – Mt 27,35 +40
Er hat unsere Sünden mit seinem eigenen Leib
auf das Holz des Kreuzes getragen,
damit wir tot sind für die Sünden
und leben für die Gerechtigkeit.
Durch seine Wunden seid ihr geheilt– 1 Petr 2,24.
Das grausame Werk der Kreuzigung,
es neigt sich dem Ende zu.
Der Körper wird an das Hinrichtungs-
werkzeug angepasst.
Hammerschläge. Schmerz und Anfechtung:
Wenn du Gottes Sohn bist…?
Ohnmächtig, der Allmächtige.
Meine Seele ist gesättigt mit Leid,
mein Leben ist dem Totenreich nahe – Ps 88.
Herr, du wirst ans Kreuz genagelt.
Das Ende aller Freiheit,
die Bündelung aller Feigheit und Rohheit.
Auch das ist…der Mensch!
Wir bitten dich, Herr, für alle,
die anderen Böses zufügen,
für die Opfer von Gewalt
und auch für die, die ihr Leiden
mit deinem Leiden verbinden.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 294
XII – Tod
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Als die sechste Stunde kam,
brach eine Finsternis über das ganze Land herein
- bis zur neunten Stunde.
Und in der neunten Stunde
schrie Jesus mit lauter Stimme:
Eloï, Eloï, lema sabachtani?,
das heißt übersetzt:
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Jesus aber schrie mit lauter Stimme.
Dann hauchte er den Geist aus.
Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand,
ihn auf diese Weise sterben sah,
sagte er:
Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn – Mk 15, 34,37f.
Es flackern die Lichter schon auf in der Stadt,
die Sonne glüht rot.
Und da man dich, Christus, gekreuzigt hat,
ist Gott nun tot.
Kyrie, eleison.
Kommt, lasst uns die Finsternis singend bestehn,
in der er hängt,
auf dass wir drinnen die Sonne sehn,
die uns umfängt.
Kyrie, eleison.
Wir preisen anbetend Dich, ewiges Licht,
für deine Nacht,
die göttliches Leben dem Knechte verspricht,
der wartet und wacht.
Kyrie, eleison.
Lied: GL 297
XIII – Ende
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Darüber muss ich weinen, mein Auge,
ja, mein Auge fließt von Tränen.
Zion ringt die Hände,
niemand ist da, sie zu trösten – Klg 1, 16f.
Der tote Sohn im Schoß der Mutter.
Letzte schmerzliche Vergewisserung.
Oh Traurigkeit, oh Herzeleid,
gibt’s nicht genug zu klagen,
heißt es im Kirchenlied.
Der Tod ist das Ende aller Illusionen.
Wir hatten gehofft, dass er der sei,
der Israel erlösen werde,
werden die Emmausjünger sagen.
Herr, umfangen vom Schmerz der Liebe,
umfange uns in Leid und Schmerz.
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
Lied: GL 428
XIV – Hoffnung
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus,
und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die Welt erlöst.
Josef von Arimathäa nahm Jesus vom Kreuz,
hüllte ihn in ein Leinentuch
und legte ihn in ein Felsengrab,
in dem noch niemand bestattet worden war.
Das war am Rüsttag, kurz bevor der Sabbat anbrach.
Die Frauen in seiner Nachfolge,
die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren,
sahen das Grab
und wie der Leichnam bestattet wurde – Lk 23,53-55
Das Grab verbirgt das Leben, umhüllt den Tod.
Letzte Ruhestätte. Das Weizenkorn in der Erde.
Gräber gehören zur Kulturgeschichte der Menschen.
Welche Kultur beginnt mit dem Grab Christi?
Ernstfall der Hoffnung und Ahnung
und irgendwann der dritte Tag.
Doch jetzt ist Schweigen.
Herr, wir wissen nicht, was uns im Grab erwartet.
Aber wir glauben, dass wir im Sterben
und im Tod von deinem Leben umfangen sind.
Erbarme dich über uns
und über die ganze Welt.
Lied: GL 210
Schlussgebet:
Herr, Jesus Christus, wir haben die Stationen
deines Leidens und Sterbens betrachtet.
Lass uns in Geduld und Hingabe
das Kreuz unseres Lebens tragen
und schenke uns die feste Zuversicht,
dass wir mit allen, für die wir gebetet haben,
Anteil an deinem Leben
und deiner Herrlichkeit erlangen.
Der du lebst und regierst in Ewigkeit.
Amen.
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Auferstanden
In Wahrheit ist es würdig und recht,
den verborgenen Gott, den allmächtigen Vater,
mit aller Glut des Herzens zu rühmen
und seinen eingeborenen Sohn,
unsern Herrn Jesus Christus,
mit jubelnder Stimme zu preisen.
Er hat für uns beim ewigen Vater
Adams Schuld bezahlt und den Schuldbrief ausgelöscht
mit seinem Blut,
dass er aus Liebe vergossen hat.
Dies ist die selige Nacht,
in der Christus die Ketten des Todes zerbrach
und aus der Tiefe als Sieger emporstieg.
Wahrhaftig, umsonst wären wir geboren,
hätte uns nicht der Erlöser gerettet.
O unfassbare Liebe des Vaters:
Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin!
O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du wurdest uns zum Segen,
da Christi Tod dich vernichtet hat.
O glückliche Schuld,
welch großen Erlöser hast du gefunden!
Sie leuchte, bis der Mor¬genstern erscheint,
jener wahre Morgenstern,
der in Ewigkeit nicht untergeht:
dein Sohn, unser Herr Jesus Christus,
der von den Toten erstand,
der den Menschen erstrahlt im österlichen Licht;
der mit dir lebt und herrscht in Ewigkeit.
Amen.
Aus dem Exsultet,
dem großen Lobgesang am Beginn der Osternacht.
Pfarrer Ludger Dräger
Heilbad Heiligenstadt, Heuthen im Mai 2021